Hangflugspaß für Ligapiloten. Heute: Dreckswetter am Ith.
Eine Senke, von zwei Hängen, einer im Norden, einer im Süden, eingefasst. Nach Osten Hang abwärts ins Tal, nach Westen ein Waldrand. Windstille. Und Wind. Wir können ihn nur am raschen Zug der Wolken sehen. Links von uns rauscht der Wald. Das ist Flugplatz Ithwiesen. Der Gummistiefelanordnung des Trainers hat niemand Folge geleistet. Meine Lederschuhe halten erstaunlicherweise trotz nassem Schuhrücken dicht, die Wollsocken warm, die Kapuze den Regen ab. Die ansässigen Segelflieger haben für uns den Flugbetrieb aufgebaut. Jetzt müssen wir auch fliegen. Insgesamt drei Versuche. Mit drei Flugzeugen. Und warum eigentlich?
Für die Bundesliga. Die Mindestpunktzahl muss erflogen werden, um eine Wertung zustande zu bringen. Es ist Runde 13. 14. Juli 2012. Wir, der LSV Burgdorf, liegen auf dem ersten Platz der Segelflugbundesliga und haben auf den Zweitplatzierten ein weiches Punktepolster, auf dem wir uns aber nicht ausruhen dürfen. Also sind wir – wer sind wir? Wir sind Mimö und Pussy, Frerk und Regina, Sven und Andi, Lutz und ich. Wir sind also auf den Ith gefahren. Die Schauerneigung dieses Okklusionsfrottages bekommen wir seid halb zwei zu spüren. Wir stehen auf dem südlichen Hügel, noch vor der Senke am Platzrand. Der Wind nimmt im Schauer deutlich zu und macht auch vor dem Lee des Waldes keinen Halt; Regen schrägnet, da hilft es nicht, sich unter die Fläche zu stellen. Überhaupt. Die Flugzeuge. Ein ungleiches Trio. Für den Index: Mimö auf Astir CS. Für den Index: Ka 6 BR. Für den Spaß: Frerk im Arcus. Es geht also irgendwann los. 17 Uhr local.
Im dritten Versuch
Der Regen hat eben aufgehört: Chance nutzen! Schauerpause ausfliegen. Zweimal hin, zweimal her. Fertig. So der Plan. Versuch eins wurde abgebrochen, als ich noch am Boden stand. Versuch zwei wurde beendet, als der nächste Schauer fast den Ith erreicht hatte. Aber jetzt: Seil straff, fertig. Ka6 am Restseil frei. Frei im Lee, Fahrt ist das halbe Leben. Den Knüppel mit Bedacht kommen lassen. Drahtseilakt für den Windenfahrer: Schösse er mich heraus, hätte ich im prallen Gegenwind 170 auf dem Stau, sobald ich das Lee verlasse. Dann lieber mit 80 in den Steigflug übergehen. Ich komme in den Gegenwind und werde zum Drachen: binnen eines Moments klebt der Fahrtmesser im Unerlaubten. Es ist schlagartig lauter geworden. Im Funk den Wunsch nach Reduzierung der Schleppgeschwindigkeit zu äußern bringt keine signifikante Fahrtänderung.
Nach dem Ausklinken stelle ich die Ka 6 mit dem Wettbewerbskennzeichen Zorro an den Hang. Er trägt gut. Das wird aber erst bedeutungsvoll, als ich den fetzigen Cumuli in meiner Höhe ausweiche. In dieser Höhe, 790 Meter MSL bei 360 Meter Flugplatzhöhe, gliche das alles einem Spießrutenflug. Generell entscheide ich mich auf dem Weg an den flacheren Hang im Süden des Flugplatzes, der in der Verlängerung des Ith liegt und Hills genannt wird, die Wolken luvseitig zu umfliegen, da sie sehr schnell ins Lee des Hanges getragen werden. Mit Rückenwind zurück zum Ith ist schnell gemacht. Aus dem Hang-Lee wieder herauszukommen wäre deutlich unangenehmer. Michael ist mit dem Astir gestartet. Über dem Hills drehen wir um in Richtung Norden und beginnen den Ligaflug. In 900m MSL und über den Cumuli. Der flache Hang trug ungewöhnlich gut, ungewöhnlich stetig, ungewöhnlich laminar. Die Aufregung des Starts sitzt mir noch in den Knochen. Ansonsten hätte ich sofort gemerkt: Welle!
Schauer und Durchhaltewille
Durch ein Wolkenloch stößt die Ka6 hinab und begibt sich mit mir an den Hang. Knapp unter den Wolken fliege ich thermikunterstützt in der Nähe von 150Km/h vor. Manchmal auch langsamer. Es ist böig. Verglichen mit all den Unwägbarkeiten des Tages ist dieser Akt nun der entspannteste von allen: ich fliege halt. Im Westen drücken sich Wolkenwürste über die Berge, Sonne scheint hier und dort in die Landschaft. Cumulonimben stehen weiter im Westen. Östlich glänzt angenehmes Herbstwetter mit guter Sicht bis zum Harz. Unsere Theorie: genau hier, am Ith, regnen sich die CBs ab und ziehen als vielleicht nicht unscheinbare, aber doch ungefährlichere Wolken mit dem Wind gen Osten.
18 Uhr und vier Minuten local: Michael kreist am Steinbruch. Kurz dahinter steht ein CB, der schauert. Frerk und Lutz ziehen im Arcus an mir vorbei. Ich folge ihnen in den Schauer hinein. Schnell ist meine Schmerzgrenze erreicht. Wir drehen um und machen den letzten Schenkel voll. Auf dem Weg: Bedenken. Ligaregeln sagen: Abflughöhe gleich Ankunftshöhe. Im Klartext: wenn ich die Strecke im Süden beende und zum Flugplatz zurückfliege, muss ich mindestens auf 900 Meter MSL kommen. Hinderliche Faktoren dabei könnten sein: Regen am Platz, kann ausgeschlossen werden, denn die Sicht ist frei; größere Wolken möglich; ebenso Wolkendecke, die den Bereich um Ithwiesen zumacht. Als ich Hellenhagen passiere, nehme ich Fahrt raus und die Zorro knapp unter die Basis; erhöhe den Vorhaltewinkel. Flughöhe 690m MSL. Laminares Steigen setzt ein.
Welle im Weserleinebergland
18 Uhr und 16 Minuten local: passiere Ithwiesen in 930 Meter, laminares Steigen von 1,5 integriert. Wolkenlöcher erleichtern mir den Aufstieg über die Tops der niedrigen Cu. Mächtiger CB unmittelbar im Westen. Uns bleibt nicht die Zeit für eine Wellenorgie.
In der Klippenklause stoßen wir auf den Tag an, der erst nicht recht Erfolg versprechen wollte und uns dann aufs Eindrücklichste gezeigt hat, bei welchem Wetter man noch sinnvoll segelfliegen kann, ohne Risiken eingehen zu müssen. Am Abend stehen zwei Flüge in der Wertung.
Zurückhaltende Ansichten übers Wetter für den Folgetag gewinnen die Oberhand. Man wird morgen also versuchen, einen dritten Flug in die Wertung zu bekommen und von Edorf aus starten. Doch wie zum Dank für diesen beinahe unverhältnismäßigen Durchhaltewillen am Samstag schenkt uns das Wetter am Sonntag Schnitte um die 100 Km/h bei guter Cumulusthermik und schauerfreier Luft. Das bedeutet: Rundensieg; der LSV Burgdorf baut seine Führung in der Gesamtwertung weiter aus.
Lukas Büsse